Effiziente KI auf Standardhardware: Wie SINQ große Sprachmodelle zugänglich macht

Die Anforderungen großer Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs) stellen viele Entwickler und Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen. Modelle, die bisher ausschließlich auf teurer Enterprise-Hardware liefen, können nun dank innovativer Quantisierungstechniken auf deutlich günstigerer Hardware betrieben werden. Das Züricher Computing Systems Lab von Huawei hat mit SINQ (Sinkhorn-Normalized Quantization) eine vielversprechende Open-Source-Lösung präsentiert, die den Speicherbedarf von LLMs drastisch reduziert – ohne signifikante Einbußen bei der Modellqualität.
Die Herausforderung: Hardware-Kosten als Zugangshürde
Der Betrieb moderner Sprachmodelle erfordert traditionell High-End-GPUs wie NVIDIAs A100 oder H100, deren Anschaffungskosten schnell in die Zehntausende gehen. Eine A100 mit 80 GB Speicher kostet rund 19.000 Dollar, während H100-Einheiten sogar die 30.000-Dollar-Marke überschreiten. SINQ ermöglicht es nun, Modelle zu betreiben, die zuvor mehr als 60 GB Arbeitsspeicher benötigten, auf Systemen mit etwa 20 GB – eine Reduktion des Speicherbedarfs um 60 bis 70 Prozent.
Diese Entwicklung macht es möglich, leistungsstarke KI-Modelle auf einzelnen Consumer-GPUs wie der Nvidia GeForce RTX 4090 (ca. 1.600 Dollar) auszuführen. Für Unternehmen, die Cloud-Infrastruktur nutzen, ergeben sich ebenfalls beträchtliche Einsparpotenziale: Während A100-basierte Instanzen häufig 3 bis 4,50 Dollar pro Stunde kosten, sind 24-GB-GPUs wie die RTX 4090 auf vielen Plattformen bereits für 1 bis 1,50 Dollar pro Stunde verfügbar. Bei längeren Inferenz-Workloads summieren sich diese Unterschiede schnell zu Tausenden von Dollar an Kosteneinsparungen.
Quantisierung: Der Schlüssel zur Speicheroptimierung
Der zentrale Ansatz zur Lösung des Speicherproblems ist die Quantisierung. Die Perplexität ist ein Maß für die Unsicherheit eines Sprachmodells bei der Vorhersage des nächsten Wortes und damit ein zentraler Indikator für die Leistungsfähigkeit – genau hier liegt die Herausforderung bei der Quantisierung.
Neuronale Netze verwenden üblicherweise Fließkommazahlen zur Darstellung von Gewichten und Aktivierungen. Diese Zahlen können einen enormen Wertebereich abdecken – von winzigen Werten wie 0,0023 bis zu großen Zahlen wie 123,45. Diese Flexibilität ist während des Trainings und der Inferenz essenziell, da Gewichte und Aktivierungen stark in ihrer Größenordnung variieren können.
Bei der Quantisierung werden diese hochpräzisen Fließkommazahlen in Formate mit niedrigerer Präzision umgewandelt – beispielsweise in 8-Bit- oder 4-Bit-Integer. Dadurch lassen sich Berechnungen schneller durchführen und Speicher effizienter nutzen. INT8-Quantisierung führt bei korrekter Abstimmung nur zu einem geringen Genauigkeitsverlust von 1-3 Prozent, und auch INT4-Gewichtsquantisierung zeigt sich wettbewerbsfähig.
Die Schwierigkeit besteht darin, die Konversion so durchzuführen, dass das Modellverhalten nahezu identisch bleibt, obwohl intern mit gröberen Approximationen gearbeitet wird. Besonders bei 4-Bit-Präzision und darunter kommt es häufig zu Qualitätseinbußen – genau hier setzt SINQ an.
SINQ: Innovation durch doppelachsige Skalierung
SINQ ist eine schnelle, plug-and-play-fähige, kalibrierungsfreie Quantisierungstechnik, die State-of-the-Art-Performance für Large Language Models liefert. Der Ansatz basiert auf zwei zentralen Innovationen:
1. Dual-Axis Scaling (Doppelachsige Skalierung)
Anstatt einen einzelnen Skalierungsfaktor für die Quantisierung einer Matrix zu verwenden, setzt SINQ separate Skalierungsvektoren für Zeilen und Spalten ein. Diese Methode hilft, die Auswirkungen von Ausreißern zu minimieren und ermöglicht eine flexiblere Verteilung des Quantisierungsfehlers über die gesamte Matrix hinweg.
2. Sinkhorn-Knopp-Normalisierung
Ein schneller, von Sinkhorn-Iterationen inspirierter Algorithmus wird zur Normalisierung der Standardabweichungen von Zeilen und Spalten in einer Matrix verwendet. Dies minimiert die sogenannte „Matrix-Imbalance“ – eine neuartige Proxy-Metrik, die sich als effektiver erwiesen hat als Alternativen wie Kurtosis zur Verbesserung der Quantisierungsleistung.
Die Kombination dieser beiden Merkmale ermöglicht es SINQ, andere kalibrierungsfreie Techniken wie Round-To-Nearest (RTN), HQQ und Hadamard-basierte Quantisierung in mehreren Benchmarks zu übertreffen.
Leistung und Kompatibilität
SINQ wurde über eine breite Palette von Architekturen und Modellen evaluiert, darunter die Qwen3-Serie, LLaMA und DeepSeek. In Benchmarks wie WikiText2 und C4 reduziert SINQ konsistent die Perplexität und Flip-Raten im Vergleich zu Basismethoden und erreicht oft eine Performance, die kalibrierten Lösungen nahekommt oder diese sogar erreicht.
Das Verfahren unterstützt zudem nicht-uniforme Quantisierungsschemata wie NF4 und kann mit Kalibrierungsmethoden wie AWQ kombiniert werden, was zur Variante A-SINQ führt. In kalibrierten Szenarien verringert A-SINQ die Lücke zu Modellen mit voller Präzision weiter.
Geschwindigkeitsvorteile
In Bezug auf die Laufzeiteffizienz quantisiert SINQ Modelle etwa doppelt so schnell wie HQQ und über 30-mal schneller als AWQ. Dies macht die Technik sowohl für Forschungs- als auch für Produktionsumgebungen attraktiv, in denen die Quantisierungszeit eine praktische Einschränkung darstellt.
Open Source und benutzerfreundlich
Huawei hat SINQ als Open-Source-Projekt unter der permissiven, unternehmensfreundlichen Apache-2.0-Lizenz veröffentlicht. Auf GitHub stehen Implementierungsanleitungen und Tools zur Reproduzierbarkeit zur Verfügung.
Das Repository bietet Unterstützung für die Quantisierung von Hugging-Face-Modellen mit nur wenigen Codezeilen sowie Werkzeuge zum Speichern und erneuten Laden quantisierter Gewichte. Die Standardeinstellungen bieten eine ausgewogene Balance zwischen Speichereinsparungen und Genauigkeit. Nutzer können Parameter wie Bit-Breite, Tiling-Strategie und Gruppengröße nach ihren Bedürfnissen anpassen.
Die Autoren stellen außerdem eine Evaluierungsintegration über die lm-eval-Bibliothek bereit und planen, in naher Zukunft vorquantisierte Modelle auf dem Hugging Face Hub zu veröffentlichen.
Praktische Anwendungsszenarien
Die Vorteile von SINQ erschließen sich in verschiedenen Einsatzszenarien:
Lokale Entwicklung und Forschung: Entwickler können leistungsstarke Sprachmodelle auf lokalen Workstations mit Consumer-Grade-Hardware testen und entwickeln, ohne auf teure Cloud-Ressourcen angewiesen zu sein.
Edge Computing: Die reduzierte Speicheranforderung ermöglicht den Einsatz von LLMs in Edge-Geräten und mobilen Anwendungen, wo Ressourcen begrenzt sind.
Kostenkontrolle in der Cloud: Unternehmen können ihre Cloud-Infrastrukturkosten deutlich senken, indem sie auf günstigere GPU-Instanzen umsteigen, ohne Qualitätseinbußen hinnehmen zu müssen.
Demokratisierung von KI: Kleinere Unternehmen und unabhängige Entwickler erhalten Zugang zu modernsten KI-Technologien, die bisher aufgrund der Hardwarekosten unerreichbar waren.
Ausblick: Quantisierung als Standard-Tool
Mit der wachsenden Nachfrage nach der Ausführung großer Modelle auf Consumer-Hardware wird Quantisierung zu einem unverzichtbaren Werkzeug. SINQ zielt darauf ab, die Einstiegshürde für die LLM-Bereitstellung zu senken und ermöglicht es Entwicklern und Forschern, Modelle effizient zu verkleinern, ohne größere Kompromisse bei Qualität oder Kompatibilität eingehen zu müssen.
Weitere Updates – einschließlich der Integration mit Hugging Face Transformers und der Veröffentlichung vorquantisierter Modelle – sind geplant. Dies macht SINQ zu einem Projekt, das im Quantisierungsbereich aufmerksam verfolgt werden sollte.
Die Open-Source-Natur und die Apache-2.0-Lizenz erlauben es Organisationen, den Code kostenlos zu nutzen, zu modifizieren und kommerziell einzusetzen – ein wichtiger Schritt zur Demokratisierung fortgeschrittener KI-Technologien.
Technische Details:
- Repository: GitHub (huawei-csl/SINQ)
- Lizenz: Apache 2.0
- Unterstützte Modelle: Qwen3, LLaMA, DeepSeek und weitere Hugging Face Modelle
- Speicherreduktion: 60-70% je nach Architektur und Bit-Breite
- Geschwindigkeitsvorteil: 2x schneller als HQQ, 30x+ schneller als AWQ